@HerrKaliban: verzeih die späte Antwort. Du schreibst: “Der Trailer zeigt IMHO eine spezifisch weibliche Verletzlichkeit”. Das ist nur leider auch ein Klischee. Zumal wenn die Spielemacher in Interviews (siehe weiter unten in diesem Kommentar) vermitteln, die Beinahvergewaltigung sei ein “character defining moment”. Demnach reift Lara Croft zu einer toughen Frau heran, weil sie früher mal einen Vergewaltiger brutal abwehren musste. Können weibliche Charaktere nicht einfach so souverän und durchsetzungsstark sein? Muss es ein einschneidendes brutales, sexuelles Erlebnis geben, damit sie nicht nur Hausfrau und Mutter, sondern Heldin werden? Natürlich nicht und das was hier “character defining moment” genannt wird ist ein dummes Klischee. Zum Thema Rape Culture siehe auch weiter unten in diesem Kommentar.
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Update, wie die Debatte um Tomb Raider nach dem Erscheinen des Artikels oben weiterging:
Zunächst sagte der Spiel-Produzent Ron Rosenberg, es gebe im neuen Tomb Raider eine Szene, in der versucht würde Lara Croft zu vergewaltigen (siehe http://bit.ly/Mohmj6 – genauer Wortlaut “They try to rape her”: http://bit.ly/LKbjXV ).
Nachdem das eine Debatte anstieß und zu öffentlicher Kritik führte, griff Crystal Dynamics-Studiochef Darrell Gallagher ein und bestritt, dass der sogenannte “Crossroads”-Trailer eine versuchte Vergewaltigung zeige und sagte sinngemäß, das Spiel gehe nicht weiter als der Trailer und enthalte keine sexuelle Nötigung jeglicher Art. Dazu hier noch eine Quelle auf Deutsch
http://bit.ly/LWUnd1
Da heißt es abschließend auch so schön:
In der öffentlichen Erklärung betont Gallagher zum Schluss, das man in Zukunft bei solchen Themen mehr auf die Formulierungen achten will.
Schade, dass genau das in dem Statement von Gallagher nicht passiert, wenn er bestreitet, dass es eine versuchte Vergewaltigung und sexuelle Nötigung jeglicher Art in der Szene gibt. Die versuchte Vergewaltigung ist offensichtlich:
Und es gibt noch mehr Anlass für Kritik. Nämlich dass diese Szene mit versuchter Vergewaltigung laut Gallagher als “one of the character defining moments” (Quelle: http://bit.ly/LKbjXV ) für Lara Croft verstanden werden soll. Kritik daran z.B. hier auf Deutsch http://bit.ly/NEzR0O
Und auf Englisch im Guardian: http://bit.ly/MLVS0D
“It is rare that strong women characters get to be protagonists in video games – and that’s part of the problem. If there were a multitude of women whose stories were told well – flawed, brilliant, good, evil, strong, weak and everything in between – the mischaracterisation of one would not have such an impact….”
Gallagher bedient mit dem Verhalten seines Spielestudios (Trailer mit versuchter Vergewaltigung) und seinen versuchten Rechtfertigungen dazu (sei keine versuchte Vergewaltigung und keine sexuelle Nötigung jeglicher Art, sondern ein Erlebnis, das die Protagonistin definiere) ein kritikwürdiges Muster:
http://en.wikipedia.org/wiki/Rape_culture
“Rape culture is a concept used to describe a culture in which rape and sexual violence are common and in which prevalent attitudes, norms, practices, and media normalize, excuse, tolerate, or even condone sexual violence.”
Dass das auch bei Fiktion, also bei von Medien konstruierter Realität, von Belang ist, steht nicht nur in dem Wikipedia-Zitat, sondern kann man auch in medienwissenschaftlichen Untersuchungen nachlesen.
All das ist bereits jetzt, bevor das Spiel erscheint, eine Debatte wert. Man muss sich daran nicht beteiligen. Aber nur, weil man selbst (noch) nichts dazu sagen möchte, kann man der jetztigen Diskussion nicht die Grundlage absprechen.
Generell gilt Meinungs- und Kunstfreiheit, nur beschränkt z.B. vom § 131 StGB “Gewaltdarstellung”, was auch explizte Gewaltdarstellung in ab18-Titeln erlaubt und das soll bitteschön auch so bleiben. Aber wenn Gewalt, sexuelle Nötigung, versuchte oder vollzogene Vergewaltigung thematisiert werden, dann bitte auch ehrlich und offen beim Namen genannt.
Bitte nicht geleugnet und bitte nicht als “one of the character defining moments” beschönigt. Und natürlich ist es grundsätzlich wünschenswert, wenn solche Thematisierungen durch mehr Positivbeispiele an Games mit weiblichen Spielfiguren mengenmäßig weniger stark ins Gewicht fallen würden.
Es ist deshalb auch nicht nur eine Debatte um Tomb Raider, Square Enix und Chrystal Dynamics, sondern eine gesellschaftliche Diskussion, die viel breiter ist und bei der die Haltungen und Reaktionen von Videospielern, Spielentwicklern, Unterhaltungs- und Kulturinteressierten usw. von Belang sind und sich in der Masse gegenseitig bedingen werden. Durch solche Debatten verändert und definiert sich fortlaufend was als “gut” und “gewünscht” gilt und so entsteht auch gesellschaftlicher Fortschritt.